2018
Lichterfelde gilt als der älteste Villenvorort Berlins. Seine Entstehung hat der heute zum Bezirk Steglitz-Zehlendorf gehörende Stadtteil dem holsteinischen Kaufmann Johann Anton Wilhelm von Carstenn zu verdanken. Dieser ließ sich bei einem Studienaufenthalt in London von der dortigen Architektur inspirieren. Die locker bebauten Villenvororte sollten einen Gegenpol zu den Mietskasernen Berlins bilden und das Bevölkerungswachstum auf humane Weise bewältigen. 1920 wurde Lichterfelde Teil des zwölften Berliner Bezirks Steglitz.
Die überwiegend wohlhabende Bevölkerung des Bezirks fürchtete zu Beginn der 1930er Jahre weitere wirtschaftliche Einbußen. Viele Einwohner sympathisierten daher mit den Nationalsozialisten. Bei der Reichstagswahl 1932 erhielt die NSDAP in Steglitz 42,1% der Stimmen, obwohl sie im gesamten Raum Berlin nicht über 30% kam. In der Folgezeit siedelte die Partei zahlreiche Institutionen im Bezirk an, so zum Beispiel die SS-Leibstandarte Adolf Hitler in der Finckensteinallee und ein SS-Lazarett in der Fabeckstraße. In der Wismarer Straße befand sich seit Juni 1942 das KZ-Außenlager Lichterfelde. Die Häftlinge aus dem umzäunten Barackenlager mussten für die Berliner SS-Dienststellen zur Verfügung stehen und Bau- sowie Aufräumarbeiten nach Bombenschäden leisten.
Gleichzeitig war Steglitz und damit auch Lichterfelde aber auch Heimat für zahlreiche Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus. Hierzu gehörten die humanitär orientierte Gruppe Onkel Emil, die jüdische Mitbürger zu schützen versuchte, oder der Kreisauer Kreis, der vor allem aus Mitgliedern des militärischen Widerstands bestand. Mit Josef Wirmer wohnte und arbeitete einer der Verschwörer des Attentats vom 20.Juli 1944 in Lichterfelde (siehe Station 4).
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Arztpraxis
Drakestraße 47 · Berlin-Lichterfelde
Arthur Arnstein wurde am 18. Juli 1866 in Berlin geboren. Ab 1879 arbeitete er als Mediziner in Lichterfelde. Arnstein war verheiratet und Vater eines Kindes. Ab 1902 betrieb er eine Praxis in der Drakestraße 47. Ab 1938 durfte er in seiner Praxis nur noch als „Krankenbehandler“ arbeiten. Am 11. September 1942 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert und verstarb dort am 3. November.
Erna Friedländer (geborene Seelig) wurde am 8. April 1902 in Berlin geboren. Vor ihrer Deportation war sie eine Zwangsarbeiterin und lebte gemeinsam mit ihrem Ehemann Kurt Julius Friedländer in der Drakestraße 47. Am 4. März 1943 wurde sie in das Lager Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurde.
Kurt Julius Friedländer wurde am 14. August 1904 in Berlin geboren. Er war verheiratet mit Erna Friedländer (geborene Seelig). Am 4. März 1943 wurde er gemeinsam mit seiner Frau in das Lager Auschwitz deportiert, wo er am 31. Dezember 1943 ermordet wurde.
Hans Kaplan wurde am 24. Januar 1901 in Berlin-Spandau geboren und war Schneider. Seit 1941 war er mit Marlene Kaplan verheiratet. Zusammen mit ihr wohnte er in Berlin-Charlottenburg, bis beide zwangsweise in das Haus in der Drakestraße 47 eingewiesen wurden. Am 4. März 1943 wurde er in das Lager Auschwitz deportiert. Er wurde dort am 3. April 1943 ermordet.
Marlene Kaplan (geborene Marlene Berger) wurde am 24. Dezember 1920 in Berlin geboren. Sie war seit 1941 mit Hans Kaplan verheiratet. Am 4. März 1943 wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Bruder Frank Cohn in das Lager Auschwitz deportiert. Marlene Kaplans genaues Todesdatum ist unbekannt.
Frank Cohn wurde am 29. April 1928 in Berlin geboren. Er wohnte seit 1937 zusammen mit seiner Mutter und der Schwester Marlene in der Schützenstr. 20 in Mariendorf. Dort besuchte er die 8. Volksschule, heute die Johanna-Eck-Schule in Tempelhof, später musste er auf eine jüdische Schule wechseln. Am 4. März 1943 wurde er zusammen mit seiner Schwester in das KZ Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde.
Sara Michaelis (geborene Sara Frankenstein) wurde am 22. Februar 1871 in Flatow/Złotów in Westpreußen geboren. Sie arbeitete möglicherweise bei dem mit ihr deportierten Arzt Dr. Arthur Arnstein. Am 10. September 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Dort verstarb sie am 9. Oktober 1942.
Text: Evalotta (13), Valentina (13)
2
Ludwig Theomin
Gardeschützenweg 139 · Berlin-Lichterfelde
Ludwig Theomin war Buchhändler und wurde im Jahr 1876 in Berlin geboren. Er heiratete Christin Julinka Seiffert. Der gemeinsame Sohn Olaf galt bei den Nationalsozialisten als Mischling ersten Grades. Im Mai 1944 wurde Theomin ins Lager Theresienstadt deportiert. Sohn Olaf kam in Untersuchungshaft, wurde später aber wieder freigelassen. Ludwig Theomin überlebte die Deportation und kehrte nach dem Krieg nach Berlin zurück.
Text: Bianca (13), Francesca (13)
3
Friedrich Justus Perels
Viktoriastraße 4a · Berlin-Lichterfelde
Friedrich Justus Perels wurde am 13. November 1910 in Berlin geboren. Sein Großvater war vom Judentum zum katholischen Glauben konvertiert. Perels studierte Rechtswissenschaften und wurde juristischer Berater beim Pfarrernotbund. Er setzte sich für bedrängte und gefährdete Pfarrer, deren Angehörige und andere Christen ein. Auch beriet und verteidigte er Angeklagte und Gefangene, versteckte Verfolgte und verhalf Menschen zur Flucht.
Im Jahr 1940 heiratete Perels und ließ sich als Rechtsanwalt nieder. Nachdem er vom gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erfuhr, wusste er, dass er in Gefahr war. Aus Rücksicht auf seine Familie floh er aber nicht ins Ausland. Am 5. Oktober 1944 wurde er als angeblicher Mitwisser der Verschwörung verhaftet und in den folgenden Tagen verhört und gefoltert. Am 2. Februar 1945 wurde er durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. In der Nacht vom 22. Auf den 23. April wurde Perels mit Klaus Bonhoeffer und anderen von einem SS-Kommando erschossen und verscharrt.
Sein Vater, der Historiker Ernst Perels, wurde in Sippenhaft genommen und zunächst in das KZ Buchenwald, später in das KZ Flossenbürg deportiert. Kurz nach der Befreiung des Lagers Flossenbürg starb er an Erschöpfung.
Text: Liora (15), Max (13)
4
Josef Wirmer
Holbeinstraße 56 · Berlin-Lichterfelde
Josef Wirmer wurde am 19. März 1901 in Paderborn geboren. Er stammt aus einer katholischen Familie und war Vater von drei Kindern. Nach dem Jura-Studium lebte er in Berlin und arbeitete als Rechtsanwalt. Wirmer war Mitglied der Zentrumspartei und setzte sich für eine Zusammenarbeit mit der SPD ein. 1941 schloss er sich dem Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler an. Seine persönlichen Kontakte ermöglichten es ihm, Vorbehalte zwischen dem katholischen, dem adligen sowie dem sozialdemokratischen Widerstand zu überwinden. Sein Haus wurde fortan zu einem Treffpunkt des Widerstands und diente unter anderem für die Planung des Attentats auf Adolf Hitler, das Claus Graf Schenk von Stauffenberg am 20. Juli 1944 durchführen wollte. Das Attentat missglückte jedoch und Wirmer wurde mit anderen Mitwissern verhaftet. Der „Volksgerichtshof“ unter der Leitung von Roland Freisler verurteilte ihn am 8. September 1944 zum Tode. Josef Wirmer wurde wenig später in Plötzensee hingerichtet. Auf Josef Wirmer geht auch der Entwurf der Flagge zurück, die nach dem Tode Hitlers als Nationalflagge hätte dienen sollen.
Text: Kai (12), Gioia (14), Lina (14)
5
Alice Schönhof
Drakestraße 58 · Berlin-Lichterfelde
Alice Schönhof wurde am 19. März 1885 in Offenbach am Main als Tochter von Salomon Schönhof und seiner Frau Emilie geboren. Sie wurde zuerst nach Theresienstadt und später in das Vernichtungslager Majdanek deportiert. Dort verstarb sie zu unbekannten Zeitpunkt.
Text: Bruno (14), Justus (14)
6
Kurd Dalen
Drakestraße 60 · Berlin-Lichterfelde
Kurd Dalen wurde am 19.11.1884 in Potsdam geboren. Er war ein deutsch-jüdischer Jurist. Vater Robert studierte Rechtswissenschaften und wurde 1907 Oberpräsidialrat der Bezirksregierung. 1866 trat er dem christlichen Glauben bei. Die Eltern änderten 1904 ihren Familiennamen von Davidson auf Dalen. 1921 wohnte Kurd er bei seiner Mutter Gertrud in Berlin-Lichterfelde und übernahm ein Jahr später nach ihrem Wegzug das Haus als Eigentümer. Ab 1930 war er Direktor der Mercedes-Werke in Zella-Mehlis.
Kurd Dalen war mit Margarete Lukszat verheiratet, die Ehe war jedoch kinderlos und galt daher nicht als „privilegierte Mischehe“, die ihn vor der Deportation geschützt hätte. Mit der Mutter Gertrud zog das Ehepaar nach Bayern. Die Mutter starb dort am 14. Juni 1939. Wie auch sein Bruder Fritz zog Kurd den Freitod der Deportation vor. Er nahm sich am 15. September 1941 in München das Leben.
Text: Bruno (14), Justus (14)
7
Dr. Georg Johannes Friedrich von Eppstein
Potsdamer Straße 32 · Berlin-Lichterfelde
Georg Epstein war ein deutscher Schriftsteller, Hofbeamter und Publizist. Er wurde am 20.3.1874 in Breslau geboren, studierte Philosophie und Literatur an der dortigen Universität und erhielt 1899 seine Doktorwürde. 1901 ließ sich Epstein, der jüdischer Herkunft war, christlich taufen. Ab 1912 war er Rechts- und Finanzberater des lippischen Fürstenhauses. Im Jahre 1915 wurde er geadelt und nannte sich fortan „von Eppstein“. Er war Mitbegründer der „Fürst Leopold Akademie für Verwaltungswissenschaft“, an der er als Professor lehrte.
Von Eppstein heiratete Herta Reymann und das Paar hatte die gemeinsame Tochter Ingeborg, die jedoch früh verstarb. Im Jahr 1921 erwarb er eine Villa in der Potsdamer Straße 32. Als seine Frau starb, verlor er den Schutz, den die „Mischehe“ ihm gegeben hatte. Am 26. Juni 1942 wurde von Eppstein verhaftet und am 2. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort starb er 1942 an einer Darminfektion.
Text: Mika (13), Gioia (14)
8
Martha Stein + Johanna Berg
Baseler Straße 13 · Berlin-Lichterfelde
Martha Stein (geborene Martha Brilles) wurde am 2. Juli 1861 in Treptow/ Trzebiatów in Pommern geboren. Sie war Lehrerin und wohnte im „israelitischen Lehrerinnenwohnheim“ in der Karlstraße 112a (heute: Baseler Straße 13). Das Haus wurde zur Zeit des Nationalsozialismus zu einer Sammelstelle für umgesiedelte Menschen mit bevorstehender Deportation. Kurz vor ihrer Deportation musste Stein in ein jüdisches Blinden- und Taubstummenheim in Berlin-Weißensee umziehen. Von dort aus wurde sie zuerst in das Sammellager Große Hamburger Straße und von dort aus am 8. September 1942 zuerst nach Theresienstadt und am 29. September 1942 nach Treblinka deportiert. Dort wurde sie zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet.
Johanna Berg wurde am 17. April 1861 in Zempelburg/Sępólno Krajeńskie im früheren Westpreußen geboren. Sie wohnte in der Baseler Straße 13, im „israelitischen Lehrerinnenwohnheim“. Am 14. Juni 1942 wurde sie nach Theresienstadt verschleppt. Später brachte man sie in das Vernichtungslager Treblinka nördlich von Warschau und ermordete sie dort.
Text: Andras (13), Leana (12)